Genussrechte – attraktive Form der Mitarbeiterbeteiligung für Wachstumsunternehmen
Genussrechte als attraktives Beteiligungsmodell für Mitarbeitende in Wachstumsunternehmen
Im „War for Talents“ sind Genussrechte für Wachstumsunternehmen eine flexible und steuerlich attraktive Möglichkeit, Mitarbeitende am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zu beteiligen – ohne Stimm- und Mitspracherechte zu gewähren.
SHE Innovates: Carmen, du verantwortest bei KPMG den Bereich Reward. Was hat es damit auf sich?
Carmen: Der Arbeitsmarkt ist dynamisch, Fachkräfte sind stark umworben. Arbeitgeber sind gefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um Talente zu gewinnen und zu halten. Gleichzeitig suchen sie nach Instrumenten, um die Performance und Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden zu erhöhen.
Dabei haben sich Mitarbeiterbeteiligungen als gefragtes Instrument etabliert. Mein Team und ich unterstützen Unternehmen im gesamten Prozess unter Berücksichtigung der regulatorischen, rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen – von der Auswahl neuer Vergütungsprogramme über die Überprüfung und Optimierung bestehender Modelle bis hin zur Implementierung.
SHE Innovates: Unsere Plattform richtet sich an gründungsinteressierte Frauen und Gründerinnen, die früher oder später vor den Herausforderungen der Talentgewinnung und -bindung stehen. Was rätst du ihnen?
Carmen: In der Praxis beobachten wir häufig, dass gerade junge, aber auch mittelständische Unternehmen bei der Einführung von Mitarbeiterbeteiligungsmodellen zögerlich sind. Viele glauben, dass Mitarbeiterbeteiligung nur durch die Übertragung echter Gesellschaftsanteile möglich ist.
Das ist allerdings eine Fehlannahme, die dazu führt, dass die Vorteile und steuerlichen Anreize ungenutzt bleiben. Gerade für Wachstumsunternehmen sind sogenannte Genussrechte eine attraktive Alternative zu steuerlich unattraktiven virtuellen Beteiligungsprogrammen (VSOPs) – sowohl für die Mitarbeitenden als auch für die Gesellschafter.
SHE Innovates: Das klingt vielversprechend – wie genau sind diese Genussrechte ausgestaltet?
Carmen: Genussrechte basieren auf einer schuldrechtlichen Vereinbarung, die Mitarbeitenden eine Beteiligung am Gewinn und Verlust einräumt, jedoch keine Gesellschafterrechte wie Stimm- oder Mitspracherechte gewährt. Damit bleibt die Corporate Governance des Unternehmens unverändert.
Stattdessen bieten Genussrechte wirtschaftliche Anreize, indem sie eine Beteiligung am laufenden Gewinn, an anderen finanziellen Kennzahlen des Unternehmens oder – gerade im Start-up-Umfeld – an der Unternehmenswertsteigerung gewähren.
Zudem sind Genussrechte flexibel und variabel gestaltbar:
- Ihre Übertragung muss nicht notariell beurkundet werden,
- sie können kostengünstig, schnell und einfach ausgegeben und eingezogen werden.
SHE Innovates: Carmen, du bist Steuerberaterin. Worin liegen die steuerlichen Vorteile?
Carmen: Die Zahlungen aus Genussrechten, also die Verzinsung und gegebenenfalls Veräußerungsgewinne, werden grundsätzlich steuerlich begünstigt. Während die Steuerbelastung bei virtuellen Beteiligungsprogrammen (VSOPs) bis zu 45 Prozent betragen kann, greift bei Genussrechten die Abgeltungssteuer in Höhe von nur 25 Prozent – jeweils zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer.
SHE Innovates: Mit § 19a EStG ergibt sich für Start-ups ein besonderer Vorteil – was hat es damit auf sich?
Carmen: Das ist richtig. Mitarbeitende von Start-ups und Scale-ups profitieren bei der Vergabe von Genussrechten von einer aufgeschobenen Besteuerung.
Normalerweise handelt es sich bei einer tatsächlichen Kapitalübertragung um einen geldwerten Vorteil, der im Moment der Übertragung lohnsteuerpflichtig ist. § 19a EStG enthält jedoch Regelungen, nach denen unter bestimmten Voraussetzungen die geldwerten Vorteile auch aus größeren Vermögensbeteiligungen zunächst nicht besteuert werden. Die Besteuerung erfolgt erst später – idealerweise bis zur Veräußerung der Beteiligung und dem Zufluss eines möglichen Exitgewinns.
Damit ein Unternehmen diese Vorteile nutzen kann, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein (zum Zeitpunkt der Übertragung oder in einem der sechs vorangegangenen Kalenderjahre):
- Weniger als 1.000 Mitarbeitende
- Maximal 100 Millionen Euro Umsatz
- Maximale Jahresbilanzsumme von 86 Millionen Euro
SHE Innovates: Welche Herausforderungen könnten Gründerinnen bei der Nutzung von Genussrechten erwarten und wie können sie diese bewältigen?
Carmen: Eine der größten Herausforderungen bei der Nutzung von Genussrechten ist die genaue Vertragsgestaltung. Es ist entscheidend, dass die rechtlichen Bedingungen alle steuerlich erforderlichen und betriebswirtschaftlich sinnvollen Regelungen enthalten.
Gründerinnen sollten sich daher unbedingt rechtlichen und steuerlichen Rat einholen, um sicherzustellen, dass die Genussrechte korrekt strukturiert sind.
SHE Innovates: Zum Abschluss – welche Tipps würdest du Gründerinnen geben, die Genussrechte in Betracht ziehen?
Carmen:
1️⃣ Sich umfassend informieren: Genussrechte bieten viele Gestaltungsmöglichkeiten. Gründerinnen sollten sich mit den Vor- und Nachteilen vertraut machen und prüfen, ob sie die richtige Form der Mitarbeiterincentivierung für ihr Unternehmen sind.
2️⃣ Professionelle Unterstützung holen: Die Strukturierung von Genussrechten erfordert rechtliches und steuerliches Fachwissen. Ein erfahrener Berater kann helfen, die besten Konditionen zu erzielen und rechtliche Fallstricke zu vermeiden.
Zur Person: Carmen Egermann
Carmen Egermann ist Senior Managerin im Bereich Global Mobility Services bei KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und verantwortet dort als Steuerberaterin den Bereich Reward. Mit ihrem Team berät sie Unternehmen bei der Gestaltung und Implementierung von Mitarbeiter- und Managementbeteiligungen sowie weiteren steuerlich attraktiven Vergütungsinstrumenten.