Digital aufgestellte Unternehmen sind stark, brauchen für die erforderlichen Investitionen aber ausreichend Kapital. Venture Capital ist ein wichtiger Beitrag. Michael Stölting, Vorstandsmitglied der NRW.BANK, spricht über das Engagement der Förderbank im Zusammenhang mit Private Equity.

Herr Stölting, das Motto der 15. Private Equity-Konferenz NRW am 31. Mai lautet „Venture Capital als Treibstoff für die Digitalisierung“. Steht die digitale Transformation nicht schon seit Jahren im Fokus?

Michael Stölting: Im Prinzip ja, aber die Corona-Pandemie hat der gesamten Gesellschaft einen deutlichen Digitalisierungsschub gegeben. Schon in einer im April 2020 veröffentlichten Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom gaben 95 Prozent der befragten Industrieunternehmen an, dass die Digitalisierung bei ihnen durch die Pandemie an Bedeutung gewonnen hat. Bei sechs von zehn Unternehmen helfen digitale Technologien, die Krise zu bewältigen. Und drei Viertel (77 Prozent) haben festgestellt, dass Unternehmen mit bereits digitalisiertem Geschäftsmodell besser durch die Pandemie kommen. Das bestätigen die Erkenntnisse aus der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009. Digitalisierte Unternehmen können ihre Prozesse leichter anpassen, dadurch starke Produktivitätsrückgänge verhindern, agieren effizienter und sind insgesamt resilienter. Die Unternehmen haben dies erkannt und handeln entsprechend. Fast jeder zweite Mittelständler hat in der Krise Produkt-, Prozess- oder Geschäftsmodellinnovationen eingeführt oder plant dies. Digitalisierung ist heute aktueller denn je.

 

Welche Bereiche müssen Unternehmen jetzt digitalisieren?

Michael Stölting: Digitalisierung bedeutet mehr als Online-Shops, Home-Office und Videokonferenzen. Die Stichworte sind digital vernetzte Systeme und Produktionsprozesse, Industrie 4.0, Big Data, Künstliche Intelligenz und Augmented Reality, beispielsweise im Kundendienst. Kein Unternehmensbereich bleibt bei der digitalen Transformation außen vor, sie betrifft auch Marketing und Vertrieb sowie die Lieferketten im Einkauf. Digitalisierung bedeutet zunächst Investition. Das ist keine leichte Entscheidung.

 

Welche Rolle spielt Beteiligungskapital bei der Digitalisierung?

Michael Stölting: Eine große Rolle. Denn mit den klassischen Finanzierungen aus Eigenmitteln oder über Banken lassen sich viele gute Geschäftsideen und die digitale Transformation nicht ausreichend finanzieren. Insbesondere bei Gründern greifen die klassischen Bewertungssysteme der Finanzbranche ins Leere. Gerade weil es keine vergleichbaren Geschäftsmodelle gibt, lässt sich das Innovative schlecht einschätzen. Es birgt höhere Risiken ,als Banken tragen können. Hier fehlen Sicherheiten – und so kann ein Eigenkapital stärkendes Vorgehen die Lösung sein.

 

Wann ist Private Equity sinnvoll?

Michael Stölting: Immer dann, wenn die Eigenkapitaldecke zu gering ist. Fremdkapital über beispielsweise den NRW.BANK.Digitalisierungskredit der Unternehmen bei Investitionen in Digitalisierung unterstützt, kommt manchmal nicht infrage. Wer beispielsweise einen etablierten Mittelständler übernehmen will – und da reden wir nicht nur von Management-Buy-outs oder Buy-Ins, sondern auch von Nachfolgeregelungen in Familienunternehmen –, der muss nicht nur Millionenbeträge als Kaufpreis stemmen. In der Regel sind bei dieser Gelegenheit kräftige Investitionen in Digitalisierung und Modernisierung fällig. Bei Kapitalbedarf in dieser Größenordnung ist Beteiligungskapitalideal.

 

Wieso engagiert sich die NRW.BANK in Sachen Venture Capital?

Michael Stölting: Im internationalen Vergleich ist der Markt für Beteiligungskapital in Deutschland nach wie vor unterentwickelt. Venture Capital und Private Equity kann in allen Lebensphasen und Größen von Unternehmen sinnvoll sein, vom jungem Start-up bis zum etablierten Mittelständler. Fehlte früher Beteiligungskapital vor allem in der Seed-Finanzierung, ist dieser Mangel nun auch bei späteren Finanzierungsrunden in der Wachstumsphase deutlich stärker zu spüren. Grund ist der Druck zu noch schnellerer Skalierung bei digitalen Geschäftsmodellen, wie die KfW Venture Capital Studie 2020 belegt.

 

Wie adressiert die NRW.BANK die besonderen Bedürfnisse digitaler Geschäftsmodelle?

Michael Stölting: Es gibt für jede Wachstumsphase passende Angebote. Das Programm „NRW.SeedCap“ richtet sich speziell an innovative Start-ups und wurde aus aktuellem Anlass an die Anforderungen durch die Pandemie angepasst. Durch die Corona-Krise nachweislich beeinträchtigte Unternehmen, die nicht älter als 36 Monate sind, können bis zu einem Maximalbetrag von 200.000 Euro mit Eigenkapital unterstützt werden. Für die Seed-Phase gibt es zudem mehrere regional ausgerichtete Fonds. In fünf der derzeit aktiv investierenden Fonds ist die NRW.BANK Cornerstone-Investor. In der weiteren Wachstumsphase investiert der „NRW.BANK.Venture Fonds“ als Minderheitsinvestor in besonders wachstumsstarke und innovative junge Unternehmen. Für Übernahmegründer und für die digitale Transformation von etablierten Unternehmen kommt der NRW.BANK.Mittelstandsfonds infrage. Über ihn stellt die NRW.BANK Eigen- oder Mezzaninekapital ab einem Investitionsvolumen von einer Million Euro langfristig zur Verfügung.

 

Was bietet die NRW.BANK außer Finanzierung noch an?

Michael Stölting: Unsere Rolle als Förderbank geht über die reine Finanzierung hinaus. Wir sind Sparringspartner der Akteure. Wo ein Informationsdefizit besteht oder Netzwerke zwischen den Akteuren enger geknüpft werden können, werden wir aktiv. Deshalb organisieren wir die Private Equity-Konferenz NRW nun schon zum 15. Mal. Deutschlandweit zählt sie zu den größten Veranstaltungen zum Thema Beteiligungskapital. Hier treffen etablierte Unternehmen und Gründer auf kompetente Berater und starke Kapitalgeber. Neben Expertenbeiträgen und Podiumsdiskussionen zu Marktperspektiven und zukunftsfähigen Investments bietet die Konferenz auch einen Venture-Capital-Marktplatz sowie Pitches spannender Start-ups. Und da die Finanzierung von Digitalisierung vielschichtig ist, haben wir sie dieses Jahr in den Mittelpunkt gestellt.

 

Die Private Equity-Konferenz NRW findet in diesem Jahr digital statt. Wie sind Ihre Erfahrungen mit dieser virtuellen Veranstaltung?

Michael Stölting: Im vergangenen Jahr haben wir die Private Equity-Konferenz aufgrund der Corona-Einschränkungen kurzfristig als Online-Veranstaltung umgesetzt. Das neue Format war ein voller Erfolg: Mehr als 600 Teilnehmer waren per Livestream dabei. Auch in diesem Jahr wird die Konferenz live und digital stattfinden mit einer virtuellen Bühne, einem digitalen Marktplatz und einem Live-Pitch. Wir erwarten einen ähnlich großen Teilnehmerkreis. Die Konferenz selbst ist also Teil des allgemeinen Digitalisierungsschubs.

 

Zur Person:

Michael Stölting ist Mitglied des Vorstands der NRW.BANK, der Förderbank für Nordrhein-Westfalen. Der Betriebswirt verantwortet die Bereiche Förderberatung & Kundenbetreuung, Kapitalmärkte, Eigenkapitalfinanzierungen sowie Spezialfinanzierungen. Der gebürtige Kölner ist zudem der Regionalvorstand für das Rheinland.

 

Mehr Infos zur 15. Private Equity-Konferenz findet ihr hier: www.nrwbank.de/pek-online

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